Über das Schreiben

Gedanken über das Schreiben, über Schreibblockaden und den Unterschied zwischen technischem und künstlerischem Schreiben.
Eine Kolumne über das Schreiben, über Schreibblockaden und den Unterschied zwischen technischem und künstlerischem Schreiben.

Heute hatte ich ein Gespräch mit einer Freundin, in dem ich erzählt habe, wie wenig ich im Moment mit dem Teil in mir verbunden bin, der schreibt. Darüber, dass dieser Teil schon eine Weile fast ausschließlich englisch mit mir spricht. Der emotionale Teil in mir – meine Gefühlswelt – spricht nicht in meiner Muttersprache mit mir. It’s got to mean something.

Ich habe lange nicht mehr geschrieben. Natürlich texte ich an jedem Arbeitstag, aber ich schreibe nicht. Ich übe das Handwerk aus, aber nicht die Kunst.

„Der emotionale Teil in mir – meine Gefühlswelt – spricht nicht in meiner Muttersprache mit mir.
It’s got to mean something.

Meistens glaube ich, dass ich es nicht kann – weil ich zu große Lücken entstehen habe lassen, zu lange die bits and pieces nicht erzählt habe und jetzt zu große Gedanken- und Zeitsprünge machen müsste, um im lesbaren Rahmen bleiben zu können.

Manchmal denke ich, dass ich nichts mehr zu erzählen habe. Dass alles, was es zu sagen gibt, schon längst zur Genüge durchgekaut wurde. Alles Weitere ist redundant.

Und dann gibt es noch die Momente, in denen ich es nicht mehr will. Ich will nicht mehr schreiben und ich will vor allem nicht mehr schreiben wollen. Ich will mich nicht mehr mit den intensiven Gefühlen auseinandersetzen, die mich an den Schreibtisch zwingen. Die mich quälen, bis sie ihren Weg auf den Screen gefunden haben. Ich will nicht mehr schreiben, um dann den absolut überwältigenden need zu spüren, die Pflicht zu haben, es zu teilen.

Ich habe nie den need, den Drang, das Gefühl, mein Leben auf Social Media teilen zu müssen. Entgegen dem trügerischen Schein gehören meine Realität, mein Alltag, meine echten Herausforderungen, meine Familie, meine Urlaube, die Hochzeiten, die Geburten, die Begräbnisse, die tiefen Verletzungen, die ekstatischen Erfolge, die High- und Lowlights in ihrer Unmittelbarkeit und Echtheit mir. Aber die abstrahierten Gedanken sind, sobald sie den Weg aufs Papier gefunden haben, nicht mehr meine, drängen nach außen, suchen Gleichgesinnte, Gleichzweifelnde, Gleichsuchende.

„… die abstrahierten Gedanken sind, sobald sie den Weg aufs Papier gefunden haben, nicht mehr meine …“

An irgendeinem Ausblickspunkt auf meiner inneren Reise ist mir aufgegangen, dass es nicht nur einen technischen und einen künstlerischen Teil in meinem Schreiben gibt – einen, der sich um meinen Job, und einen anderen, der sich um „meine Kunst“ kümmert – sondern auch, dass die Künstlerin divenhafte Züge hat. Sie will nicht für sich selbst schreiben. Das reicht ihr nicht. Weil Kunst nach außen drängt – wie die Lieder der Musikschaffenden, die Bilder der Malenden und die Worte der anderen Schreibenden. Mal zerstörerisch wie Lava, die alles verbrennt, was sie berührt, mal wie Regenwasser sickernd und sich zur Quelle sammelnd, die irgendwo aus dem Felsen bricht.
Die Diva will aber auch nicht mehr für andere schreiben, sich an den eigenen, überwältigenden Gefühlen abarbeiten, sich aufreiben, in den Gefühlen ertrinken und sich immer wieder selbst retten. Wofür? Für wen? Mit welchem größeren Ziel?
Früher gab ihr das was – mir … früher gab mir das was. Das gute Gefühl, nicht die Einzige mit komplexen Gefühlen zu sein, wenn mir jemand zustimmte. Das Gefühl, für jemanden kurz das entgegenkommende, abholende Licht sein zu können, das ich mir selbst in meinen dunklen Abgründen wünsche. Ein Hoffnungsschimmer für jemanden, der gerade erst in den Tunnel eingefahren ist, an dessen Ende ich für mich – vielleicht für uns – schon das Licht erahnen kann.
But it’s opening a can of worms … zu schreiben heißt hinzuschauen, hinzufühlen und sich auf alle Gefühle einzulassen, sich die Verletzlichkeit, die Eitelkeit und den Stolz einzugestehen. Es heißt, das Gute auf der Reise hin zum Mittelpunkt der Gefühle zu entdecken, obwohl man gerade nur Lust auf das Schlechte hat. Es bedeutet, Einsicht zu bekommen, wenn man gerade blind vor Wut nur die eigene Seite sehen will. Es erfordert, okay damit zu sein, nicht alle Antworten und Schlusspunkte parat zu haben.

„… zu schreiben heißt hinzuschauen, hinzufühlen und sich auf alle Gefühle einzulassen …“

In einer Lebensphase, in der ich noch stärker als sonst fühle, an dem Punkt angekommen sein zu müssen, an dem man viel „fertiger“ und runder mit der Welt sein sollte, als ich fühle, es zu sein, hat es kaum ein Text aus dem Entwurfsstatus heraus, bis zum „Veröffentlichen“-Button gebracht.

Vielleicht ist das ein Anfang.

Teil's mit anderen

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