Die Teschek-Frisur

Auf die Frage, was man denn aktuell als Frisurentrend feiert, bekam ich eine verblüffende Antwort.
Ich bin ja nicht Dein Teschek! Oder doch? Diese Frisur macht Dich zum Teschek.

Einen Teschek soll ich mir schneiden lassen? Na gut, wenn Frisörin Vicky das sagt, dann machen wir das!

[erstmals veröffentlicht: 2015]

Da waren wir also wieder.

Meine Haare und ich. In Hass-Liebe und via Haarwurzel verbunden, wurden wir vergangene Woche bei der Frisörin meines Vertrauens vorstellig. Wobei, wenn ich es recht bedenke, dann ist die junge, schnittige Schnitte(rin) eher die Frisörin, der mein Mann vertraut. Ich habe es aufgegeben, jemanden als „meinen“ Frisör zu bezeichnen, weil die, die ich gut finde, zu Salon-Hopping neigen. Ich erinnere mich noch an Gabi, Fernando, Sandra und Babsi. Maximal zwei aufeinander folgende Schnitte und schnipp-schnapp-schwupp-di-wupp, waren sie schon nicht mehr in dem Salon beschäftigt. Dann kam Amir, mit Wohlstandsbäuchlein und so ganz und gar nicht redselig – eine Wohltat für eine wie mich, die vor dem Frisörbesuch aussieht, als wäre sie aus einem Erdloch gekrochen und der der reflexartig folgende „Wow, bei der würden sich Vorher/Nachher-Bilder auszahlen“-Blick die Schamesröte ins Gesicht treibt.

Amir

… entsprach dem Stereotyp vom männlichen Frisör kein bisschen und ich schätze, er hatte über meine kaputten Spitzen, den dunklen Ansatz und die nicht einmal versuchsweise kaschierten Augenringe, die einzig richtige Meinung: keine. Selbst in Eigenregie gefärbte Haare oder ein eindeutig von Laienhand geschnittener Pony entlockten ihm kein Seufzen, kein „Hast du das selbst gemacht? Das sieht man.“ Amir schwieg. Und auch das kam mir sehr zugute, denn ich gehe nicht nur zum Frisör, um mir die Haare schneiden zu lassen, sondern nutze das einstündige Tête-à-Tête – ach, was rede ich: Tête-à-Main –, um zu versuchen, die vor vier Tagen wegen mütterlicher Pflichten abgewürgten SMS-Threads wiederzubeleben. Amir verstand das, und wir kamen hervorragend mit unserem Arrangement, uns nur über „Waschen?“, „Schneiden?“, „Fönen?“ zu verständigen, zurecht. Doch dann passierte es. Als ich das letzte Mal bei „meinem“ Frisörsalon anrief und einen Termin bei Amir buchen wollte, war der über alle Berge – naja, Berge … Bodenschwellen … jedenfalls von dem Irgendwo, wo er mich zuvor zur Audienz empfangen hatte, ins Vösendorferische Nirgendwo gewechselt.

So leid es mir tut: Ich quere die Donau für eine Reihe von Arztterminen und betrete die 12X0-er Bezirke für Freunde und Familie, aber für einen Haarschnitt die Bundeslandgrenze zu passieren, finde ich – lebenszeittechnisch gesehen – nicht vertretbar. Und so kam ich, als ich meine Entrüstungsgefühle über das unangekündigte Verschwinden von Amir überwunden hatte, zu Vicky.

„Na, was machen wir?“

… fragt sie mich, als sich unsere Blicke im Spiegel treffen. Ich, monatelang kein aktuelles Frauenmagazin in der Hand gehalten habend, frage, was man denn derzeit so trägt, denn wenn ich eines nicht bin, dann ist es festgefahren auf einen Haarschnitt. Ich hatte schon vieles! Einiges eher unfreiwillig. Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich an Amir so hing. Der wusste haargenau, was er tat.

„Alles!“, versichert mir Vicky, „derzeit kann man echt wieder alles tragen.“ Eine Ansage, mit der ich meine Schwierigkeiten habe, denn nur weil man kann, heißt es nicht, dass man sollte. Ich KANN auch eine Hose in Größe XS tragen, das sähe aber nicht gut aus. „Aber besonders viele tragen derzeit …“, fängt Vicky an und beendet den Satz mit einem selbstbewussten „Teschek.“

Ein „Teschek“-Haarschnitt soll also 2015 hip sein?! Puh, da war ich diesmal offenbar wirklich lange in meiner Erdmulde, so ein Quereinstieg in die Haarmode des heurigen Sommers ist nicht ganz so leicht zu verdauen. Aber gut, bei Peter Handkes „Publikumsbeschimpfung“ gingen die Meinungen auch auseinander, schlussendlich revolutionierte das Theaterstück, das keines sein wollte, die Theaterwelt. Mein Kopf als Botschafter einer Revolution, das wäre doch was! Und noch während ich so nachdenke, verselbstständigt sich meine Mimik.

Vicky liest an meinem Stirnrunzeln, den hochgezogenen Nasenflügeln und den zusammengekniffenen Augen ab, dass ich doch nicht ganz so aufgeschlossen bin und lenkt ein: „Naja, wir machen auf jeden Fall mal Strähnchen und beim Schnitt schauen wir dann später.“ „Okay. Weißt du, ich hätte es gern natürlich und pflegeleicht.“ Pflegeleicht – ein ganz dummes Wort für Herrn und Frau Figaro, denn wenn es nach Vicky, Amir, Gabi, Fernando und Co geht, sind Haare immer „total easy“ zu stylen. „Mit der Frisur kann man alles machen!“ Am Vorabend die Lockenwickler rein, im Sitzschlaf durch die Nacht, Gel hier, Pomade da, ein bisschen Spray in Richtung Hinterkopf, ein paar Puderstöße am Ansatz einmassieren und den Schaum gut ins handtuchtrockene Haar kneten. Fertig. Total easy.

Noch nie in meinem Leben, habe ich eine Frisur nach dem Waschen wieder so hinbekommen, wie sie nach Verlassen des Salons ausgesehen hat.

„Du, da Scheeeck ist echt voll natürlich, da brauchst du gar nichts machen. Vielleicht mal kurz durch die nassen Haare fahren und nicht mal fönen.“ Da Scheeeck? Ist das Slang für Teschek? Im Kopf gehe ich alles durch, was sich akustisch in einem ähnlichen Bereich aufhält und male mir dazu passende Frisuren aus. Ein Scheck, ein Shake, ein gescheckter Strähnenkopf, Sharm El Sheikh, Sch… ich stehe an. „Hast du dein Handy da?“, fragt Vicky. „Ich google dir das, dann weißt du, wie das aussieht. Ich würde es dir ja bei mir zeigen, aber bei mir ist das schon voll ausgewachsen.“

Teschek-Musterung

Während ich ihr mein Handy gebe, mustere ich ihren Kopf und sehe da eigentlich nichts Außergewöhnliches. Mahagonibraunes, dichtes Haar mit einem Stufenschnitt. Sehr hübsch. Wenn ein Teschek so aussieht, dann trage ich gern mal ein paar Monate lang einen. Sie gibt mir das Handy zurück. Lauter strubbelige Celebrity-Fotos hat die Google-Bildersuche aus den Untiefen des Internets an die Oberfläche befördert und oben steht der Suchbegriff … The Shag. „The Shaaaaag“, geht mir ein Licht auf und ich schaue Vicky verstehend in die Augen. „Ja!“, sagt sie, „sag ich ja. Tescheeek“ und macht mit ihren Augenbrauen die einzige Bewegung, die sich mit Computer-Kürzeln besser erklären lässt als mit Worten: ^^.

The Shag ^^ also.

Bedeutet zwar AUCH Feinschnitt, umgangssprachlich wird mit „shag“ aber – entschuldige Mama! – f*cken bezeichnet. Vor ein paar Jahren hat man noch charmant Stufenschnitt mit Out-of-bed-look dazu gesagt und damit das Fehlen einer Bürste in der Handtasche gerechtfertigt. Abgesehen davon gibt es im Bett ja bekanntlich auch andere Aktivitäten, nach denen man verwuschelte Haare hat – schlafen zum Beispiel oder herumliegen und DVDs schauen. 2015 mag man es wohl expliziter. Meine Haare sind jetzt von einer sexuellen Aura umgeben. „We are freshly shagged“, sagen sie. Gut, dass nur wenige von dieser absoluten Geheimfrisur wissen, denn so kann ich die nächsten Monate, auf die Frage, ob ich beim Frisör war, einfach sagen: „Ja. Durchgestuft und gesträhnt. Schick, nicht?“ Und sobald sich das mit dem Shag rumgesprochen hat, ist es für mich sowieso Zeit für einen neuen Besuch bei Vicky.

Die DIY-Bloggerin, SEO-Texterin und Digital Content Creatorin Veronika Fischer aus Wien sagt: "Bis bald."

 

Titelbild: pixabay | ziyou wu

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